Perfect WorldNo way out
Angriff auf die Romantik: Der Fotograf Oliver S. Scholten kombiniert Wirklichkeiten.
Oliver S. Scholten macht
Gegensätze sichtbar.
Was hat ein Obdachloser, der in einer Telefonnische einer Budapester Metrostation seine provisorische Schlafstatt gefunden hat, mit dem Glücksspielautomaten einer Bar zu tun ? Was verbindet die schießwütige Figur vor dem Gitterfenster eines Spielzeugladens mit der kopflosen Kleiderpuppe in einem Kinderzimmer ?
Was ein Sortiment roter Feuerlöscher mit der Balkonfassade eines Plattenbaus ? Hat der Obdachlose beim Glücksspiel alles verloren, wird das Kind später zum Gewalttäter, muss demnächst in jeder Wohnung ein Brand gelöscht werden ?
Was ein Sortiment roter Feuerlöscher mit der Balkonfassade eines Plattenbaus ? Hat der Obdachlose beim Glücksspiel alles verloren, wird das Kind später zum Gewalttäter, muss demnächst in jeder Wohnung ein Brand gelöscht werden ?
Allerorten erkennt Scholten apokalyptische Zeichen.
Seine Serie mit der ironischen Überschrift "perfect world" (die Bilder werden nur im Doppel verkauft) mutiert zu einer verblüffenden Sammlung für sich gesehen banaler, erst in der Gegenüberstellung bestürzender Detailansichten.
"No way out" hat der 1963 in Berlin geborene
Absolvent der Lette-Schule über seine Werkauswahl in der
Galerie imago-fotokunst geschrieben. Diesen Titel trägt
auch die verführerisch schöne, großformatige Doppelaufnahme eines
herbstlich leuchtenden Rastplatzes an der Autobahn, von der man
jedoch nichts sieht: ein weißer Tisch mit einer Thermoskanne und
einem Stullenpaket, zwei Bänke und dahinter einen von der Morgen-
oder Abendsonne angestrahlten Waldrand. Nur Menschen gibt es in
diesem Idyll nicht mehr.
Seine Serie mit der ironischen Überschrift "perfect world" (die Bilder werden nur im Doppel verkauft) mutiert zu einer verblüffenden Sammlung für sich gesehen banaler, erst in der Gegenüberstellung bestürzender Detailansichten.
Im zweiten Bild ist, (aus dem Computer)
ein Reh auf die Wiese getreten und das romantische Bild durch
Übertreibung ad absurdum geführt.
Ohne Farbe würde die Serie ihre Anziehungskraft verlieren, doch sie bleibt stets dezent, fast pastellartig, als könne der Fotograf die schreiende Buntheit des Alltags nur gefiltert zur Kenntnis nehmen.
Noch nüchterner fallen die mit einer alten Polaroid-Kamera
hergestellten schwarz- weißen Bilddokumente vom Baugeschehen um den
Alexanderplatz aus "Entropolis 2001/5". Fast schmerzhaft sind diese
- oft aus schräger Perspektive festgehaltenen - Blicke in Baulöcher
und Abrisshäuser, die von neu gewonnener Funtionalität nichts
wissen wollen. Romantiker sehen gleich die Apokalypse, wo die
nüchterne Realität in ihren Traum einbricht.
Ohne Farbe würde die Serie ihre Anziehungskraft verlieren, doch sie bleibt stets dezent, fast pastellartig, als könne der Fotograf die schreiende Buntheit des Alltags nur gefiltert zur Kenntnis nehmen.
Hans-Jörg Rother aus "Der Tagesspiegel • Kunst & Markt" | So.,09.02.08